Die Rubrik #EngagementWirkt stellt Vereine und Projekte vor, die mit ehrenamtlichen Engagement viel bewirken. In dieser Folge berichtet Anika Habermann vom Bildungscampus MV, wie man Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gehör verschafft und sie bei der Umsetzung eigener Aktionen unterstützt. Jede und jeder ist eingeladen, sich mit eigenen Ideen einzubringen.

Frau Habermann, Sie engagieren sich auf vielfältige Art und Weise ehrenamtlich. Wie genau sieht ihr Engagement aus?

Anika Habermann: Zum einen gibt es mein Ehrenamt bei den Johannitern, – da bin ich in der psychosozialen Notfallbegleitung tätig. Wir Notfallseelsorger sind Krisenhelfer, die bei schweren Unglücken, bei Todesfällen oder zur Überbringung von Todesnachrichten hinzugezogen werden. Wir sind dann vor Ort, um die Überlebenden eines Unglücks oder Angehörige zu betreuen. Wir arbeiten in Teams und haben abwechselnd Rufbereitschaft. Im Ernstfall alarmiert uns der Rettungsdienst.

Mein zweites Ehrenamt, das mich ehrlich gesagt weitaus mehr Zeit und Nerven kostet, ist ein Jugendprojekt, das es seit 2018 gibt: der Bildungscampus Mecklenburg-Vorpommern. Dort versuchen wir, junge Menschen aus der Region mitzunehmen und sie zu motivieren, sich im sozialen und ökologischen Bereich zu engagieren. Es geht dabei vor allem darum, der Jugend eine Stimme zu geben. Das tun wir auf ganz unterschiedliche Art und Weise. In unserem Programm finden sich sowohl Trainings im Bereich Projektmanagement als auch Seminare, in denen es um Werte und Lebenswünsche geht.

Den Bildungscampus haben Sie selbst gegründet. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich bin Psychotherapeutin, arbeite aber seit Längerem als Führungskräftecoach und in der Unternehmensberatung. Dabei liegt mein Schwerpunkt auf den Themen „Gutes Miteinander“, „Teamwork“ und „Werteentwicklung“. In diesem Zusammenhang habe ich gesehen, dass Auszubildende in vielen Betrieben zu kurz kommen. Oft finden sie nicht die nötige Beachtung und werden nicht gut verstanden. Die sogenannte Generation Z ist eine sehr spezielle Gruppe. Man muss auf ihre Bedürfnisse eingehen, wenn man sie mitnehmen möchte. Ich habe damals bemerkt, dass das so gut wie nie passiert, und wollte das ändern.

Das Konzept der Seminare, verbunden mit der Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, gab es von Anfang an. Es haben sich sehr schnell Menschen gefunden, die das Ganze unterstützen wollten, und sehr bald haben nicht nur Auszubildende das Angebot angenommen, sondern auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. Inzwischen ist unsere Gruppe sehr divers – sowohl was das Alter angeht als auch die Herkunft. Unsere jüngste Teilnehmerin ist 13, die älteste 28.

Welche konkreten Projekte haben Sie im Rahmen des Bildungscampus umgesetzt?

Wir engagieren uns vor allem für soziale und ökologische Themen, also für das eigene Umfeld und die Umwelt. Das sind im Übrigen auch die Themen, die die Jugendlichen am meisten interessieren, wo sie gut mitgehen können. Ein Beispiel ist der jährliche World Cleanup Day. Dabei befreien wir als Projektteam unsere Umwelt von Müll. Gleichzeitig sprechen wir in unserer Region andere Menschen an und motivieren sie dazu mitzumachen. Wir organisieren für alle Teilnehmenden Müllbeutel, Handschuhe und so weiter. Mit anderen Worten, wir kümmern uns um die Organisation, damit sich Interessierte möglichst einfach beteiligen können.

Im Rahmen einer anderen Aktion sammeln wir Sachspenden für Obdachlose. Dabei lernen die Jugendlichen zuerst, wie man eine Spendensammlung auf die Beine stellt. Danach sammeln sie über mehrere Wochen die Sachspenden und übergeben sie schließlich an die Obdachlosenhilfe in Berlin. Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Bei allen Projekten überlegen wir gemeinsam mit den Jugendlichen, wie wir uns vernetzen und verknüpfen können. Wir denken darüber nach, wen wir als Partner dazuholen können und ob es möglicherweise Sponsoren gibt.

Wie viele Teilnehmende beteiligen sich aktuell an ihren Projekten?

Es gibt einen festen Kern von ungefähr 30 Menschen, das ist ein Projektteam, das sich sehr regelmäßig trifft. Darüber hinaus erarbeiten wir immer wieder Konzepte für Aktionen und Veranstaltungen, mit denen wir in die Breite gehen möchten und für die wir deshalb Kooperationspartner suchen. Wir treten dann zum Beispiel ganz gezielt an Schulklassen heran oder arbeiten mit Altenheimen zusammen. Die Menschen, die wir dadurch erreichen, gehören nicht zum eigentlichen Kern des Projekts, trotzdem involvieren wir sie oft für eine lange Zeit, meist über Monate.

Wie finden neue Teilnehmende zu Ihnen?

Zum Beispiel über unsere Internetseite. Dort gibt es eine Extraseite zum Team und unseren Projekten. Wir haben aufgelistet, was wir anbieten und wie man sich einbringen kann. Wir sind aber auch auf Facebook und Instagram aktiv. Wer Lust hat mitzumachen, kann sich einfach melden. Das gilt nicht nur für junge Menschen, wir nehmen gerne auch Vertreter älterer Generationen auf.

Viele gemeinnützige Organisationen klagen darüber, dass sie sich schwertun, junge Menschen zu erreichen. Bei Ihnen scheint das nicht der Fall zu sein. Was machen Sie anders? Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?

Wir hören den jungen Menschen genau zu und greifen die Themen auf, die ihnen wichtig sind. Gerade von Jugendlichen kommen unglaublich viele Ideen und Impulse. Wir sehen es als unsere Aufgabe, ihnen bei der Umsetzung dieser Ideen zu helfen. Das Geheimnis besteht also schlicht darin, die jungen Menschen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen – leider ist das keine Selbstverständlichkeit.

Sie hatten eingangs erwähnt, dass ihr Engagement für den Bildungscampus mitunter auch nervenaufreibend sein kann. Was strengt Sie besonders an? 

Obwohl wir schon einige Jahre dabei sind, ist es immer noch anstrengend, die Botschaft, die hinter unseren Projekten steckt, rüberzubringen. Leider haben Kinder und Jugendliche keine Lobby, und viele Menschen setzen sich nur sehr ungern mit ihren Wünschen, Ideen und Bedürfnissen auseinander. Wir hören dann immer wieder Dinge wie „Was wollen die denn?“ oder „Die haben eh nur komische Ideen und wollen Stress machen.“ In solchen Situationen immer wieder zu erklären, worum es uns eigentlich geht, kostet viel Kraft und bringt einen manchmal auch an die eigenen Grenzen.

Was machen Sie, um trotzdem motiviert zu bleiben? Gibt es einen Trick, den Sie verraten können?

Ich gehe nur noch durch Türen, die sich öffnen. Ich verschwende meine Zeit nicht mehr damit, gegen Widerstände zu kämpfen und an verschlossene Türen zu klopfen. Die Erfahrung zeigt mir, dass sich die Mühe nicht lohnt. In derselben Zeit kann ich durch drei offene Türen gehen.

Welche Türen tun sich aktuell auf?

Mittlerweile ist es eigentlich so, dass wir jeden Monat ein neues Projekt oder eine neue Aktion initiieren. Gerade findet im Landratsamt Greifswald eine Fotoausstellung zum Thema Ehrenamt statt, die unsere Jugendlichen konzipiert haben. Parallel dazu laufen eine Weihnachtspäckchen-Aktion und eine Sachspenden-Sammlung für den Tierschutz. Und demnächst steht ein Wochenendseminar mit einer zehnten Klasse an, bei dem wir uns ganz intensiv mit Projektmanagement beschäftigen werden.

Wie kriegen Sie all diese ehrenamtlichen Aktivitäten und Aktionen in Ihrem Alltag unter? 

Ich mache das ja nicht alleine. Wir sind ein Mentorinnen-Team von mittlerweile zwölf Leuten. Jede und jeder von uns ist Profi in seinem Bereich. Wir alle tragen etwas zum großen Ganzen bei und sorgen so dafür, dass alles rund läuft. Dafür bin ich sehr dankbar.

„Ich gehe nur noch durch Türen, die sich öffnen“

Anika Habermann

Kontakt

Stiftung Bildungscampus M-V
Hauptstr. 11
17438 Wolgast OT Pritzier
Telefon: 01 51 – 42 89 12 70
E-Mail: buero@bildungscampus-mv.de
www.bildungscampus-mv.de