Dennis Busch ist stellvertretender Kreisbereitschaftsleiter beim Bayerischen Roten Kreuz in Coburg (BRK) und ist dort seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig. Als sogenannter Zugführer war er kurz nach der verheerenden Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz vor Ort, um zu helfen. Mit der DSEE hat der 41-Jährige über sein Ehrenamt und diesen besonderen Einsatz gesprochen.
DSEE: Herr Busch, wie werden solche Großeinsätze koordiniert? Und vor allem: Wie schnell beginnt so ein Einsatz?
Busch: Wegen des föderalen Prinzips läuft das alles auf eine besondere Art und Weise. Wir können als Bayern nicht einfach nach Rheinland-Pfalz fahren, sondern das Land Rheinland-Pfalz hat in diesem Fall an das Land Bayern eine Hilfsanfrage gestellt. Wir als Helfer wurden dann vorinformiert und haben entsprechend alles vorbereitet, also Personal und Fahrzeuge. In der ersten Welle ging das alles besonders schnell. So habe ich an einem Sonntag um 19:30 Uhr davon erfahren und am nächsten Tag um 11:00 Uhr sind wir bereits losgefahren.
DSEE: Und wie oft waren Sie bei solchen Einsätzen bereits dabei?
Busch: Zum Glück nicht so oft. In dieser Größenordnung machen wir das zum Glück nur alle paar Jahre. Zu den letzten gehörte ein Einsatz bei einem G7-Gipfel. Dann waren wir in einem Hochwassereinsatz in Deggendorf in Bayern und davor auch beim Elbe-Hochwasser dabei.
DSEE: Wer kümmert sich bei solchen Einsätzen um die Ehrenamtlichen? Wie wurden Sie vor Ort versorgt?
Busch: Wir sind als Hilfeleistungskontingent tatsächlich autark. Wir können uns in einem Einsatz bis zu 72 Stunden komplett selbst verpflegen und versorgen. Abgesehen davon, gab es auch Anwohner, die uns immer nochmal etwas reingereicht haben. Also hungern muss da wirklich niemand.
DSEE: Neben den vielen Helfern aus den Organisationen gab und gibt es unzählige Freiwillige, die unbedingt mit anpacken wollten. Ist das aus Ihrer Sicht eher hinderlich vor Ort oder braucht man einfach jede helfende Hand?
Busch: Ich empfand es als absolut notwendig, dass in so einer Ausnahmesituation, in so einem Katastrophenfall, auch Einzelpersonen helfen. Als wir in Altenburg ankamen, waren wir die ersten eines Sanitätsdienstes, die vor Ort waren – auch weil die Straßen so schwer zugänglich waren. Da gab es lange Autoschlangen von Menschen, die helfen wollten. Die sind dann teils kilometerweit mit ihren Schaufeln und Schubkarren in die betroffenen Dörfer gelaufen. Ideal wäre es, wenn es für solche Fälle vorbereitete Stellen gäbe, die zum Beispiel vor Ort erst einmal herausfinden, was los ist und wo was gebraucht wird. Dadurch könnte man eben auch freiwillige Helfer schnell mit ihren Baggern und Geräten dorthin schicken, wo sie gebraucht werden. Denn wie gesagt, gerade am Anfang war einfach unglaublich viel zu tun.
DSEE: Sie haben vor Ort sicher viele schlimme Dinge gesehen, viel Zerstörung. Wie ging es Ihnen damit?
Busch: Wenn man erst einmal da ist, erschlägt es einen. Das haben meine Kolleg:innen alle berichtet. Wir hatten im Vorfeld eine ausführliche Lage-Einweisung mit Bildern und Videos, waren also vorbereitet. Worauf das Gehirn aber nicht vorbereitet ist: Egal, wohin man schaut, es sieht überall so schlimm aus. Es handelt sich eben nicht nur um ein zerstörtes Haus oder eine zerstörte Straße. Sondern diese Zerstörung zieht sich über viele, viele Kilometer. Man verarbeitet es dann aber einfach. Das klingt jetzt nach Klischee, aber die Psyche ist da erstaunlich anpassungsfähig. Dennoch gab es auch Situationen, die besonders emotional waren.
DSEE: Haben Sie da ein Beispiel?
Busch: Als wir in Altenburg in Rheinland-Pfalz ankamen, waren wir mit die ersten. Nur das THW war bereits eine Nacht zuvor angekommen. Die haben bereits bei unserer Ankunft die ersten, akut einsturzgefährdeten, Häuser abgerissen. Und wenn dann nach nur 15 Minuten ein ganzes Haus weg und die einstigen Bewohner auf einem Trümmerhaufen stehen und nach letzten persönlichen Sachen suchen, ist das so ein Moment.
Wir sahen auch einen Jungen, der mit einem Bollerwagen durchs Dorf lief und versuchte, Spielzeug zu finden, damit er überhaupt etwas zum Spielen hat. Das sind wirklich emotionale Momente, auch für uns. Aber man schaltet dann, um zu helfen, einfach in den professionellen Modus um. Dennoch kann es natürlich immer sein, dass das nach dem Einsatz nochmal umschlägt und man dann doch merkt: Ich habe damit meine Probleme. Aber dafür haben wir dann professionelle Hilfe. Jeder bekommt eine entsprechende Nachbetreuung und auch eine Notfall-Hotline haben wir für solche Fälle eingerichtet.
DSEE: Was ist, trotz dieser vielen schlimmen Dinge, die sie bei diesen Einsätzen sehen, Ihre Motivation, ehrenamtlich tätig zu sein?
Busch: Das ist das Helfen an sich. Das ist auch bei uns, beim Roten Kreuz, die Grundlage: Helfen, ohne zu fragen, wem man hilft. Und wenn uns dafür dann auch noch Dankbarkeit entgegengebracht wird, ist das noch einmal eine zusätzliche Motivation.
DSEE: Und diese Dankbarkeit haben Sie vor Ort erfahren?
Busch: Ja, absolut. Dazu gehörte zum einen wirklich expliziter Dank, indem einfach jemand auf uns zukam und sagte: „Schön, dass ihr da seid. Wir freuen uns.“ Dazu gehörten aber auch einfach kleine Aufmerksamkeiten. Wenn wir zum Beispiel mal wieder hinter einem Bagger im Stau standen und dann Anwohner kamen und uns eine heiße Suppe ins Auto reichten. Solche Situationen helfen einem sehr.
DSEE: Gab es auch andere Situationen?
Busch: Nein, so etwas kam nicht vor – glücklicherweise. Das sind am Ende wirklich Einzelfälle, die dann durch die Medien aufgegriffen werden. Allgemein muss man wirklich sagen: Die Anwohner freuen sich über Hilfe und die Hilfsorganisationen wurden auch immer mit eingebunden.
DSEE: Was geben Sie all den Freiwilligen mit auf den Weg, die vor Ort geholfen haben und es auch noch tun?
Busch: Erst einmal ist es wirklich toll, wenn die Leute helfen möchte. Man freut sich über jeden. Aber natürlich ist es immer besser, wenn man das ausgebildet und organisiert macht. Und im Ehrenamt ist ja für jeden Geschmack etwas dabei. Wer eher technisch veranlagt ist, kann zum THW oder den Feuerwehren, die sind auch immer auf Unterstützung angewiesen. Oder wenn jemand lieber etwas mit Menschen macht, kann man ihm die vielen Hilfsorganisationen empfehlen. Mit liegt natürlich besonders das Rote Kreuz am Herzen. Aber genauso gibt es auch die Malteser, die Johanniter, den ASB und viele mehr. Es geht ja auch nicht nur um den Katastrophenschutz und solche großen Ereignisse. Auch vieles im Alltag funktioniert einfach nur mit Ehrenamtlichen. Es gibt genug zu tun, man muss nur wollen!
DSEE: Wie geht es für Sie jetzt weiter? Ist der Einsatz jetzt beendet?
Busch: Für uns ist der Einsatz nun erst einmal beendet. Die Aufräumarbeiten sind teilweise bereits weiter fortgeschritten, da braucht man derzeit uns als zusätzlichen Kräfte nicht. Wir gehen jetzt wieder unserer regulären ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Und warten dann hoffentlich lange auf den nächsten Einsatz.
Herr Busch, vielen Dank für dieses Gespräch. Wir von der DSEE danken Ihnen und all Ihren Kolleg:innen sehr für Ihren ehrenamtlichen Einsatz!
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